Hufkurs mit Jonas Schwethelm am 28.2.2016 im „Ponyhof Vessertal“ Breitenbach
Alles Schema F- oder wie?
An einem sehr windigen Sonntag versammelten sich fünf Pferdemenschen und sieben Pferde im „Ponyhof Vessertal“ Breitenbach um einen sehr interessanten Kurstag mit dem Hufpfleger und -schmied sowie „certified hoofcare master“ Jonas Schwethelm aus Schweina zu erleben. Jonas arbeitet nach dem Prinzip der „F-Balance“, einem aus Südamerika stammendem System der Hufbearbeitung, welches aber auch in Europa und Deutschland immer mehr Verfechter gewinnt. Das „F“ steht für Flexibilität und der Begriff F-Balance steht für „die medio-laterale Balance des Hufes in Bezug auf die longitudinale Flexibilität der Hornkapsel“. An dieser Stelle standen uns die Fragezeichen wohl das erste Mal schon recht deutlich in den Augen, aber im Verlauf des sehr guten einführenden Vortrages wurde alles aufgeklärt. Das aus meiner Sicht Wichtigste zuerst: Bei der F-Balance wird immer der individuelle Huf des individuellen Pferdes beachtet. Es wird nicht versucht, den Huf in ein Schema zu korrigieren, welches der Mensch als das „Beste“ oder als Standard definiert hat. Dies bedeutet, dass es auch Hufe geben kann, die nicht „schön“ aussehen und dennoch im Augenblick die beste Arbeit für das Pferd leisten, dem sie gehören. Das System gilt sowohl für beschlagene Hufe als auch für Barhufer. Auch das für mich ein Pluspunkt: Grabenkämpfe zwischen Beschlagbefürwortern und –gegnern kommen so gar nicht erst auf. Jonas zeigte uns anhand von Fotos die drei Säulen, nach denen die Hufbearbeitung nach der F-Balance funktioniert: Der 1. Punkt sind die so genannten Stresspunkte, kleine Veränderungen an der hinteren Trachtenwand, die das Niveau der so genannten Null-Linie bzw. die Höhe der funktionalen Sohle markieren. Diese Stresspunkte sind je Huf und auch je Beinpaar an der Trachtenwand in gleicher Entfernung von der Ballenoberseite zu finden. Der 2. Punkt, die funktionale Höhe der Sohle, wird individuell an den Huf angepasst. Je nach Pferd, Untergrund, Belastung etc. kann der Tragrand auf die 0-Linie (abzulesen an der Lage der Stresspunkte und an bestimmten Bereichen im vorderen Hufbereich) eingestellt werden oder auch auf ein geringfügig höheres Niveau (+1). Erfahrungsgemäß laufen Pferde auf dem Niveau der 0-Linie am besten. Der 3. Punkt bezieht sich auf die Wandstärke und –form. Ist die Wandstärke gleichmäßig ausgebildet, kann auch ein steilerer oder flacherer Huf eine günstige Hufform sein. Letztendlich werden die Hufe entweder stabilisiert oder, wenn nötig, korrigiert. Diese Art der Hufbearbeitung wurde wissenschaftlich an der Uni Leipzig analysiert und dabei auch „Druckbilder“ von Hufen angefertigt. Die Bilder veranschaulichen sehr deutlich, wo der Druck, den der Huf auf den Boden ausübt, am größten ist. Sehr interessant waren mehrere Videos, die uns die unglaubliche Flexibilität des Hufes veranschaulichten. So gehört es zur Bearbeitung des Hufes manchmal dazu, eine leichte Bogenschwebe einzuraspeln, um eine partiell zu hohe Hufwand zu korrigieren. Nach 2-3 Tagen hat sich die Hufwand dann so abgesenkt, dass der Tragerand wieder eben ist. Wunderwerk Huf, kann man da nur sagen.
All diese Punkte demonstrierte uns Jonas dann sehr anschaulich an einem Bein mit Huf (ohne Pferd dran ). Stresspunkte, funktionale Höhe der Sohle und die entsprechende Bearbeitung ließen sich so sehr genau betrachten. Als Krönung wurde der Huf dann in der Mitte geteilt. Es ist einfach etwas ganz anderes, das Hufinnere einmal anzufassen, die verschiedenen Härten des Materials zu spüren und die Sehnen nachzuverfolgen, als das Gleiche auf einer Abbildung anzuschauen.
Und dann ging es richtig an die Praxis. „Pirouette“ eine 13-jährige Trakehnerstute durfte als erstes Modell den Huf hinhalten. Die Gute blieb ganz gelassen, als Stresspunkte gesucht und Wandstärken beurteilt wurden. Da die Stute auch einen speziellen Huf hat, der krankheitsbedingt Veränderungen aufweist, konnten hier einige konkrete, detaillierte Themen besprochen werden. Und dann wurden nach und nach alle Pferde „f-balanciert“, nur unterbrochen vom leckeren Mittagessen (An dieser Stelle vielen Dank an Gaby und Jürgen für die exzellente Versorgung!). Pony „Stella“ hatte die „schönsten“ Hufe und bei der Kleinpferdstute „Foxy“ wurde noch einmal eindrücklich deutlich, dass auch ein schiefer Huf nicht gleich „krank“ sein muss. Seit Foxy von Jonas behandelt wird (ca. 2 Jahre) sind ihre Rückenprobleme deutlich besser geworden!
Alles in allem ein sehr interessanter und eindrücklicher Kurstag, der uns so manches Aha-Erlebnis bescherte. Das individuell ausgerichtete Prinzip der F-Balance hat uns alle angesprochen und auch wenn wir sicher im Einzelnen noch nicht alles richtig verstanden hatten (wie war das nochmal mit dem lebenslangen Lernen?), so bleibt doch die Erkenntnis, dass wir es hier mit einer sehr durchdachten Hufbearbeitung zu tun haben. Letztendlich wollen wir doch alle das Beste für unser Pferd. Und das fängt bei den Hufen an!
Bericht und Fotos: Maria Schmalz